11 Juni

Haben Schulleitungen Beratungsbedarf?

Wir denken: Ja, und zwar gerade jetzt vor den Ferien, um sich langfristiger Entwicklungslinien zu versichern.

Der Teil unserer Beratungstätigkeit, bei dem wir Schulen bei der Selbstentwicklung begleiten, ist ein Saisongeschäft. Zu bestimmten Zeiten des Schuljahres ist die Nachfrage hoch. Zu anderen Zeiten passiert fast nichts. So wie im Moment.

Die Periodik spiegelt sich auch im Aufkommen der Blogbeiträge wider. In den Zeiten, an denen wir mit Schulen gemeinsam Entwicklungsvorhaben aushecken oder evaluieren, stoßen wir auf viele neue, uns beeindruckende oder begeisternde Ideen, was und wie Schulen vorgehen könnten. Wenn wir mit den Kollegien arbeiten, erfahren wir viel über die Schwierigkeiten bei der Transformation des jeweiligen Systems. All diese, oft aus Details herrührenden Erkenntnisse sind es wert, in einen Blogbeitrag gegossen zu werden. „Pädagogik der Gegenwart“ eben.

Jetzt herrscht an den Schulen Ruhe im Sektor der Selbstentwicklung. Am Ende des Schuljahres stehen zentrale Prüfungen wie Abitur und ZAPs an. In den Fächern mit Klassenarbeiten ist Korrektur-Hochkonjunktur. Schulen mit einer schülerzentrierten Rückmeldekultur erarbeiten Lernentwicklungsberichte. Der Endspurt des Schuljahres folgt einer spezifischen Dynamik – Jahr für Jahr ziemlich gleich. Und die dann folgende „große Pause“ verstellt den Lehrkräften den Blick darauf, dass es – für das Kollegium als Ganzes – nach den Ferien weitergeht.

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07 Mai

Gesucht: Ein ein besserer Begriff für Unterricht!

Wir ziehen Bilanz: Zwei Beratungsgespräche in Berlin mit zwei Projekten, die unterschiedlicher wohl kaum aussehen können. Zum einen ein berufliches Oberstufenzentrum, dessen Kollegium überlegt, Teamarbeit und selbstverantwortliches Lernen zum Gegenstand eines inneren Schulentwicklungsprozesses zu machen. Und zum anderen eine Initiative von Lehrkräften, die gerade aus der Lehrerausbildung kommen, und ihre Traumschule des gemeinsamen Lernens von Jahrgang 0 bis 10 realisieren wollen. Zwei sehr unterschiedliche Entwicklungskontexte, zwei sehr übereinstimmende Zielsetzungen.

In beiden Beratungsgesprächen geht es darum, die nächsten Handlungsschritte umzusetzen: Von der individuellen Ausgangslage der beteiligten Personen, die vor allem von Vorerfahrungen aus dem berufsspezifischen Sozialisationsprozess geprägt sind, in eine kooperativ-kollegiale gute künftige Praxis zu kommen.

Hier verknüpfen sich personale Erfahrungen mit visionären Zukunftsvorstellungen – wie so oft im Leben. Als Beratende ist unsere Aufgabe, die Ebene des Gestaltens konkreter Schritte in die Zukunft mit der Verständigung darauf, wie die Zukunft aussehen soll, zur Deckung zu bringen. Denn konkretes Handeln, das nicht durch gemeinsame Visionen hinterlegt ist, ist wie Tappen im Dunkeln, ohne Richtungsorientierung. Visionäres Denken dagegen gilt als „theoretisch“, als wirklichkeitsfremd und als frustrierend, weil der Abstand zwischen Ist- und Sollzustand übermächtig wird.

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28 Apr.

Verbinde die Punkte mit 4 Strichen ohne abzusetzen! – Kann ich das?

„Das geht nicht!“ oder „Ich weiß im Moment nicht, wie das gehen kann.“ Lesen Sie zwei Beispiele dazu: Entwicklung einer Kreuzung (1) und Anforderungsniveaus an der Gesamtschule (2)

Wir beraten pädagogische Einrichtung dabei sich zu transformieren, Dinge anders machen zu können als bisher. Der Wunsch, eine neue Praxis mit besseren Lösungen zu entwickeln, ist groß!

Aber: Vor neuem Handeln braucht man neue Ideen, denn erfolgversprechende Lösungen der realen Probleme müssen in den Köpfen der Beteiligten heranreifen. Kreatives Denken steht vor transformierendem Handeln. Das Kernproblem sind oft die Denkblockaden bei der Suche nach neuen Lösungen. Eine oder einer hat eine kreative Idee. „Das geht nicht“, sagen die anderen, und erzeugen Stillstand. Was hilft gegen diese Bremse im Kopf?

Unser wohlmeinender Rat: Ersetzen Sie den Satz „das geht nicht“ durch „Wir können uns im Moment nicht vorstellen, wie das gehen kann“. So wird aus dem vorgeblich objektiv unlösbaren Problem eine Frage der Erweiterung der eigenen Kompetenzen, individuell und gruppenbezogen/gesellschaftlich.

Das wirkt, weil kompetenzorientiertes Lernen durch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Haltung auf der Wissensebene zu einer Neubewertung des Handlungskontexts führt. Jeder kennt wohl die Frage: „Kannst Du die neun Punkte der Abbildung oben mit vier geraden Strecken ohne Absetzen verbinden?“ Wer behauptet: „Das geht nicht“, der müsste in einem allgemeingültigen Beweis zeigen, dass es keine Lösung gibt. Wer aber den bisherigen Rahmen seines Denkens sprengt, findet heraus: „Es geht doch“. Viele Einschränkungen des Kontexts sind nicht „objektiv“ vorhanden, sondern Substrat des bisherigen (eingeschränkten) Denkens in der eigenen Vergangenheit.

Dazu zwei Beispiele, eines einfaches (außerhalb des pädagogischen Kontextes) aus der Verkehrspolitik, ein schwierigeres (innerhalb des pädagogischen Kontextes) aus der Gestaltung von Lernsystemen.

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21 Apr.

Gibt es aus pädagogischer Sicht einen Ausweg aus der Gewaltspirale?

Es fällt schwer, in diesen Tagen einen Beitrag für Pädagogik der Gegenwart zu schreiben, wenn unsere sorgenvollen Gedanken unaufhörlich in den Osten der Ukraine wandern.

Kann denn die Pädagogik irgendetwas beitragen, das nach einer möglichen Lösung auch nur riecht? Wie ist das denn auf dem Schulhof, wenn der Konflikt – längst eskaliert – von der Pausen-Aufsicht entdeckt wird?

Pädagogik ist die Wissenschaft davon, wie sich menschliche Beziehungen entwicklungsfördernd gestalten lassen. Sie geht davon aus, dass im Grunde genommen jeder, der menschliche Beziehung gestaltet, es aus einer inneren Sinnsicht tut. Jeder macht das, von dem er glaubt, dass es für alle Beteiligten das Beste ist, wenn er so agiert, wie er agiert. Nur die anderen sehen – leider – oft nicht ein, dass das, was dabei herauskommt, wirklich die beste aller Lösungen ist…

Aus dem Handeln lässt sich die Sinnsicht der agierenden Person rekonstruieren. Das ist Pädagogenhandwerk. Die Disziplin des Fachs verlangt, das zu tun, wenn man pädagogisch arbeiten will, bevor man Vorschläge für bessere Lösungen macht. Eine professionelle pädagogische Haltung schließt nicht nur den Schutz des Schwächeren, sondern auch das Nachdenken über die Genese des Verhaltens des Aggressors ein. Ganz zu schweigen von der großen Aufgabe, die „kleinen Bratzen“, die am Rande stehen und wohlmöglich „Haut-se…“ (vom Rest des Spruches schweigen wir mal) schreien, auf ihrem Weg in die Selbsterkenntnis leiten zu dürfen.

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12 Apr.

Kinder können das! – Wenn man sie lässt.

Nochmal zum Thema: Willkommensklassen oder Inklusion?

Schon vor einem Monat haben wir – in dem Blogbeitrag „Die nächste Welle kommt. Was tun?“ am 11.3. – die klare Empfehlung gegeben: Wenn eben möglich, Inklusion! Setzt die Flüchtlingskinder aus der Ukraine mit an die Gruppentische der bestehenden Lerngruppen eurer Schule. Vertraut auf die Inklusionskraft der direkten Interaktion der Kinder!

Eine Woche später kam ein Bericht aus einer Grundschule von einem Jungen aus der Ukraine in einer Grundschule in NRW. Die Lehrkräfte haben das Kind – nennen wir es einfach mal Wolodymyr – in eine laufende jahrgangsübergreifende Klasse 1/2 (JüL-Klasse) gesetzt. Seit vier Wochen lernt es dort. Die Lehrkräfte, die die Klasse begleiten, sind begeistert.

Jetzt ist unser Schulentwicklungsberater einigermaßen irritiert. Anlass ist die Debatte, die die taz an diesem Wochenende losgetreten hat. Die bekanntermaßen eher links ausgerichtete Tageszeitung lässt Pädagog*innen (9.4.22, S. 10/11; „Ihr Blick geht nach vorne“) zu Wort kommen, die erklären, wieso es ohne Willkommensklassen nicht geht. Ein Schulleiter eines Gymnasiums konstatiert, dass direkte Inklusion vielleicht in der Grundschule gelingen mag, im Fachunterricht der weiterführenden Schule das dagegen nicht gelingen könne: „Es ist doch eine Illusion, dass Jugendliche ohne Sprachkenntnisse [der Schulleiter meint ‚deutsche Sprachkenntnisse‘] bei Physik oder Geschichte mitkommen“. Die fremdsprachlichen Jugendlichen würden, so seine Befürchtung, wegen fehlender Sprachkenntnis bloßgestellt.

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08 Apr.

Zweite Anregung zur Gestaltung der staatlichen Rahmung schulischer Bildung

Metareflektive Komponenten verankern

Vor Landtagswahlen wäre doch wohl der Zeitpunkt, über eine kluge Ausgestaltung der Strukturen des Bildungssystems vertieft nachzudenken. Wer kümmert sich auf allen Ebenen der Bildungslandschaft um das Zusammenwirken der Teile des Systems, wer behält den Überblick über Ziele und Ressourcen?

Unser Vorschlag wäre die Einrichtung einer metareflektiven Komponente auf allen Ebenen, beginnend auf der unterrichtlichen, über die einzelne Schule, das Netzwerk der Schulen einer Kommune…

Wir argumentieren mit HAETTIE: Kern gelingender Bildung ist, so unsere Auffassung, die Selbsttätigkeit der Mitglieder von Lerngruppen, die sich auf gemeinsame Ziele verständigen und sich beim Lernen entlang der Ziele orientieren. Ein auf Dauer angelegtes Lernsystem benötigt eine Komponente, die Zieltransparenz stiftet, Zielklärung ermöglicht, Zielreflexion betreibt und entsprechend Folgeziele definiert. HATTIE identifiziert das Vorhandensein einer solchen metareflektiven Komponente im Unterricht als unterrichtliches Element höchster Lernwirksamkeit. „10 % der Lernzeit, 10% des Lernmaterials, 10 % der Lernressourcen fließen in die Metareflexion des Lernens“ ist eine handliche Kennziffer für gelingendes Lernen in Schulen.

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05 Apr.

Anregungen zur Gestaltung der staatlichen Rahmung schulischer Bildung

Unter diesem Titel veröffentlichen wir in den nächsten Tagen und Monaten immer mal Gedanken zum pädagogisch-systemischen Zusammenhang von Pädagogik und Politik

  1. Anregung: Ähnliche Strukturen im Kern und der Peripherie schaffen

Vor den Landtagswahlen schmieden die Parteien der Bundesländer schulpolitische Pläne, so auch in NRW. Wir als Institut lenken einmal unseren systemisch-pädagogischen Blick auf diese Frage:

Wie sollte die staatliche Rahmung von Schule so aufgestellt werden, dass dort Kinder und Jugendliche die Bildung erwerben, die sie für das eigene Leben und für unser Zusammenwirken in der Gesellschaft benötigten?

In unseren Bundesländern teilen sich Landespolitik und Kommunalpolitik die Verantwortung für den Betrieb der Schulen. Sie fassen in der Regel Bildungspolitik als Problem der Einrichtung, des Betriebs und der Beaufsichtigung von Schulen auf. Diese Funktionen werden oft als isoliert betreibbare Felder betrachtet. Pädagogisch gesehen greift aber diese Betrachtung zu kurz. Wir wünschen uns, dass sich staatliches und kommunales Handeln direkt auf die im unterrichtlichen Lernen der Schulen induzierte Bildung richten. Im Schmelztiegel Lerngruppe und in den darin ablaufenden Prozessen wächst die Bildung der beteiligten Menschen – deren Kompetenzen und deren Qualifikationen.

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18 März

Neue Kinder treffen auf bestehende Lerngruppen – eine Herausforderung zur pädagogischen Gestaltung!

Letzte Woche haben wir dafür geworben, Flüchtlingskinder aus dem Ukraine-Krieg nicht in Auffangklassen zu verschieben, sondern sofort in die bestehenden Lerngruppen zu integrieren. Leicht populistisch formuliert – danke für die Kritik! –  haben wir eine Welle angekündigt. In Wirklichkeit kommen natürlich Kinder – in manchen Schulen des Landes jeden Tag eins. Sie brauchen Kontakt und Anschluss zur Bewältigung ihrer Fluchterlebnisse.

Das löst starke Emotionen auch bei den Menschen aus, die hier leben, bei Lehrpersonen, Eltern, den übrigen Kindern. Wie agiert Schule, in der die Begegnungen stattfinden, mit Achtsamkeit? Wichtige Botschaft an die Lehrkräfte: Es gilt das Überwältigungsverbot! (s.u. und Link) Der Beutelsbacher Konsens fordert von der Schule, sich nicht an den Problemsichten der Erwachsenen, sondern an den Lernbedarfen der Kinder zu orientieren. Was brauchen diese, um miteinander sprechen, lernen, leben zu können? Die Handlungsfähigkeit der Lernenden zu stärken ist der Auftrag der Schule! Besonders in einer so schrecklichen Krisensituation, in der Menschen vor den Bedrohungen durch Krieg flüchten müssen.

Es bedarf also pädagogischer Reflexion sowie klares Agieren von Schulen bei der Ausgestaltung des Raums, in der sich die Menschen begegnen. Wir zeigen hier ein Beispiel einer Schule, die diesen Anspruch ernst nimmt und Konflikte vorausschauend kanalisiert. Sie hat ein Schreiben an die Eltern verfasst. Verschickt wird es jeweils in den Lerngruppen, in die Kinder aufgenommen wurden:

Liebe Eltern,

aktuell nimmt unsere Schule bereits Kinder aus der Ukraine auf, heute auch in Ihrer Lerngruppe.

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11 März

Die nächste Welle kommt – was tun?

Nein, es geht nicht um steigende Inzidenzen. Es geht um die Folgen des Kriegs in der Ukraine. Die nächste Welle von Flüchtlingskindern rollt auf unsere Schulen zu.

Niemand weiß, wie lang die Kinder, die nun kommen, bei uns bleiben werden. Wochen? Monate? Jahre? Auf Dauer?

Das spielt keine Rolle. Wer da ist, braucht den Schutz und den Zugang zum sozialen Leben unserer Gesellschaft. Wir können die Kinder nicht darauf warten lassen, bis sich ihre Perspektive dauerhaft klärt. Sie brauchen Schule – sofort!

Manche Schulministerien planen, erneut auf das Modell der Flüchtlingsklassen zu setzen. Deutsche Kinder bleiben unter sich. Ukrainische Kinder bleiben unter sich. Möglichst wenig merken, dass Fremde im Schulhaus sind. Das alte deutsche Trennungsdenken feiert fröhliche Urstände.

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02 März

Erziehung zum Rassismus nach Schulbuch! (2) – Und wie dem entgehen?

In Teil 2 unseres Beitrages von Lucinda Jäger erhalten Sie eine Einordnung und am Ende des Textes Literaturhinweise und Links, wie Sie als Unterrichtende mit diesem Problem umgehen können

Vertreter der sozialen Ungleichheitsforschung kritisieren die Tendenz zur Kulturalisierung und Stereotypisierung sozialer Probleme, die nicht nur zu einer Abgrenzung, sondern zu einer Ausgrenzung bestimmter Gruppen führen kann, da eine gesellschaftlich zugeschriebene Fremdheit ontologisiert und gleichzeitig in der kollektiven Psyche der Schüler*innen gefestigt wird.

Eine neuzeitliche historische Bedeutung erlangt Afrika darüber hinaus erst im Kontext des Zusammentreffens mit Weißen. Wird Afrika zumeist als gesichts- und geschichtsloser Kontinent repräsentiert, ereignet sich eine detailliertere Darstellung afrikanischer Geschichte erst im thematischen Rahmen des Aufeinandertreffens von Schwarz und Weiß während des Kolonialismus. Verstärkend kommt hinzu, dass die Folgen des Kolonialismus selten so skizziert werden, dass die bestehenden Zusammenhänge mit heutigen Problemen Afrikas deutlich werden.[1] Kolonialistische und imperialistische Bestrebungen der Weißen werden teils sogar verharmlost. Aufgaben leiten Schüler*innen sogar dazu an, den Kolonialismus zu relativieren, in dem sie aufgefordert werden, die „positiven Auswirkungen“ auf Schwarze aufzuzählen.[2] Ein Kapitel wird mit dem Titel „Vom Imperialismus zur Entwicklungszusammenarbeit“ eingeleitet, was den Eindruck erweckt, es handele sich bei der Kolonisation Afrikas um eine frühe Form der Entwicklungshilfe.[3] Erfolgt zum Thema Afrika in den Schulbüchern wiederholt die Abbildung einer somalischen oder äthiopischen Lehmhütte – im Kontrast zu einem modernen deutschen Wohnhaus – als ausschließliches Behausungsexempel, so wird die einfache Hütte „als simplifizierendes und unterlegenes Symbol für ganz Afrika in den Köpfen verfestigt.“[4]

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