Haben Schulleitungen Beratungsbedarf?
Der Teil unserer Beratungstätigkeit, bei dem wir Schulen bei der Selbstentwicklung begleiten, ist ein Saisongeschäft. Zu bestimmten Zeiten des Schuljahres ist die Nachfrage hoch. Zu anderen Zeiten passiert fast nichts. So wie im Moment.
Die Periodik spiegelt sich auch im Aufkommen der Blogbeiträge wider. In den Zeiten, an denen wir mit Schulen gemeinsam Entwicklungsvorhaben aushecken oder evaluieren, stoßen wir auf viele neue, uns beeindruckende oder begeisternde Ideen, was und wie Schulen vorgehen könnten. Wenn wir mit den Kollegien arbeiten, erfahren wir viel über die Schwierigkeiten bei der Transformation des jeweiligen Systems. All diese, oft aus Details herrührenden Erkenntnisse sind es wert, in einen Blogbeitrag gegossen zu werden. „Pädagogik der Gegenwart“ eben.
Jetzt herrscht an den Schulen Ruhe im Sektor der Selbstentwicklung. Am Ende des Schuljahres stehen zentrale Prüfungen wie Abitur und ZAPs an. In den Fächern mit Klassenarbeiten ist Korrektur-Hochkonjunktur. Schulen mit einer schülerzentrierten Rückmeldekultur erarbeiten Lernentwicklungsberichte. Der Endspurt des Schuljahres folgt einer spezifischen Dynamik – Jahr für Jahr ziemlich gleich. Und die dann folgende „große Pause“ verstellt den Lehrkräften den Blick darauf, dass es – für das Kollegium als Ganzes – nach den Ferien weitergeht.
Schulleitungen sind in dieser Zeit vor allem damit ausgelastet, die Praxis des kommenden Schuljahres zu managen. Klassenbildung, Kursplanung, Personalversorgung, Raumausstattung. Alle diese Herausforderungen lenken den Blick auf die Organisationsfragen des Systems. Doch sie lenken davon ab, dass ein neues Schuljahr stets auch besondere Chancen bietet, gewisse Dinge anders zu machen als bisher. Wenn Schulleitungen die Absicht haben, die Selbstentwicklung ihrer Schule voranzutreiben, besteht die Gefahr, dass sie gerade jetzt den Zeitpunkt verpassen, die notwendigen Pflöcke in den Boden zu rammen: Mehr Selbstverantwortung der Schüler*innen beim Lernen, die Ausschärfung der partizipativen Strukturen aller Beteiligten in Schule, der nächste Schritt zu mehr Teamarbeit im Kollegium, die probeweise Veränderung der Form der Leistungsrückmeldung und -beurteilung, Stärkung der inklusiven Haltung und der inklusiven Kompetenzen der Lehrkräfte – für alle diese Aspekte ist ein paar Wochen vor Schuljahresschluss der ideale Moment. Jetzt gilt es, konkrete Pläne in das Kollegium so einzuspeisen, so dass in der letzten Woche vor den Zeugnissen, wenn der Stress nachlässt, der Wunsch und die Lust geweckt wird, im kommenden Schuljahr etwas Neues zu wagen.
Eigentlich müssten also die Schulleitungen bei Einrichtungen wie unserer, die Beratung bei der Schulentwicklung bieten, jetzt gerade auf der Matte stehen. Die Überführung von zukunftsbezogenen Wünschen, Visionen und Utopien in Schritte des konkreten Handelns ist ja unser Metier. Das ist ein eigener Kompetenzbereich, der nicht zu den Kernkompetenzen von Schulleitungen gehören. Sie können aber lernen und wissen, dass es diese spezifischen Kompetenzen gibt. Die kann eine Schulleitung genauso rekrutieren wie die übrigen Potentiale, die zu aktivieren zum Schuljahresendprogramm gehört.
Es ist belastungsbedingt nachvollziehbar, aber nicht folgerichtig, wenn Schulleitungen diesen Teil der Planung des kommenden Schuljahres ausblenden. Neben den obligaten Verhandlungen mit der Schulaufsicht zur Personalabdeckung, mit den Fachkonferenz-Vorsitzenden zur Unterrichtsverteilung, mit den Schulträgern über Raumausstattung und Schulbuchbestellung gehört in diese Periode auch ein Gespräch mit dem/der Schulentwicklungsberater/in. Im besten Fall mit einer Person, die die Schule über mehrere Jahre in einem wohldefinierten Entwickungsvorhaben begleitet. Meist reicht ein Termin. Dann kann die Expertenperson eine auf die aktuelle Lage angepasste Konzeption für ein erfolgversprechendes Weiterlernen des Kollegiums im nächsten Schuljahr auf dem Weg zur Schule der Zukunft entwerfen. In der letzten Woche des Schuljahres holen dann Schulleitung und Experte/in das Kollegium mit ins Boot. Und dann geht die Schulgemeinde in die wohlverdienten Sommerferien! Wenn alle wiederkommen, hat sich jeder Einzelne schon auf das Neue eingestellt, das nun zur gemeinsamen Herausforderung gemacht wird.
Ja, Schulleitungen brauchen Beratung! Nicht viel, aber gezielt. Immer dann, wenn es darum geht, das situative Leitungshandeln in Übereinstimmung mit den langfristigen Entwicklungslinien zu bringen. Jede Schulleitung braucht – im professionellen Kontext – eine Beratungsperson, bei der sie jederzeit anrufen kann. Auf der Grundlage deren Expertise reflektiert sie, welche aktuellen Handlungsschritte welche langfristigen Wirkungen haben können. Wenn es gut läuft, wird die Schulleitung bestimmte Aktivitäten an diese Person delegieren bzw. in deren Verantwortung geben. Ob das ratsam ist, gehört zum Gegenstand des Beratungsgesprächs.
Durch gezieltes Einholen von Beratung gewinnen Schulleitungen an Handlungssicherheit. Und sie können sich durch Delegation von Aufgaben entlasten. Das kostet vergleichsweise wenig, ist also ein sehr effizienter Mitteleinsatz.
Allerdings: Gut funktioniert das nur, wenn Schulleitungen die Beratung von sich aus einholen. Das ist eine Frage der Haltung: Ich hole mir Beratung, weil mich das stärkt und entlastet. Genauso wie erfolgreiches Lernen von Schüler*innen gelingt das nur, wenn Schulleitungen sich diesen Gewinn selbst erschließen! Am besten noch heute!