Zweite Anregung zur Gestaltung der staatlichen Rahmung schulischer Bildung
Metareflektive Komponenten verankern
Vor Landtagswahlen wäre doch wohl der Zeitpunkt, über eine kluge Ausgestaltung der Strukturen des Bildungssystems vertieft nachzudenken. Wer kümmert sich auf allen Ebenen der Bildungslandschaft um das Zusammenwirken der Teile des Systems, wer behält den Überblick über Ziele und Ressourcen?
Unser Vorschlag wäre die Einrichtung einer metareflektiven Komponente auf allen Ebenen, beginnend auf der unterrichtlichen, über die einzelne Schule, das Netzwerk der Schulen einer Kommune…
Wir argumentieren mit HAETTIE: Kern gelingender Bildung ist, so unsere Auffassung, die Selbsttätigkeit der Mitglieder von Lerngruppen, die sich auf gemeinsame Ziele verständigen und sich beim Lernen entlang der Ziele orientieren. Ein auf Dauer angelegtes Lernsystem benötigt eine Komponente, die Zieltransparenz stiftet, Zielklärung ermöglicht, Zielreflexion betreibt und entsprechend Folgeziele definiert. HATTIE identifiziert das Vorhandensein einer solchen metareflektiven Komponente im Unterricht als unterrichtliches Element höchster Lernwirksamkeit. „10 % der Lernzeit, 10% des Lernmaterials, 10 % der Lernressourcen fließen in die Metareflexion des Lernens“ ist eine handliche Kennziffer für gelingendes Lernen in Schulen.
Die gleiche Quote sollte auch für Schulen gelten. Eine Schule besteht aus vielfältigen Subsystemen. Schüler*innen gehören, nach bestimmten Gesichtspunkten strukturiert, dauerhaft Lerngruppen an und wirken zeitlich begrenzt in Gremien mit. Lehrpersonen gehören Teilgruppen mit bestimmten Aufträgen an, wie Fachkonferenzen, Mensaausschüsse, Orga-Komitees für das Schulfest… Bestimmte Systemstrukturen regeln die demokratische Teilhabe aller Beteiligten in der Schule, wie Schülerrat und Elternpflegschaft.
Doch ist in vielen Schulen nicht festgelegt, wer sich um die Metareflexion kümmert. Solche Schulen sind oftmals schwach. Es ist Zufall, wer wann wo wie sich mit der Herausforderung befasst, die eigene Schule auf den Prüfstand zu stellen und bei Bedarf weiterzuentwickeln: Nimmt sie ihre Aufgaben erfolgreich wahr? Verschleißt sie im Inneren durch Ineffizienz ihre Mitwirkenden? Vermittelt sie noch die Bildung, die ihr Umfeld benötigt? Solche Schulen haben ein systemisches Defizit. Hier braucht es Strukturreform: Die Stiftung einer systemisch transparenten Form, die Selbstentwicklung als eigene, autonom-selbsttätige Aufgabe wahrzunehmen. Wie wäre es hier mit 10 % der personellen Ressourcen für Metareflexion?
Autopoiese nennen sozialkonstruktivistisch ausgerichtete Pädagog*innen den Vorgang, der für dauerhafte Existenz des Systems sorgt. Es ist riskant, diesen Vorgang dem Zufall zu überlassen. Schlau ist, wenn eine Schule hierfür ein spezifisches Subsystem ausprägt. Beispielsweise könnte sie eine Selbstentwicklungsgruppe einrichten, die sich um Umfeld-Anpassung, inneres Lernen und Ressourcenversorgung kümmert. Die Gruppe kümmert sich darum, dass neue Kolleg*innen in der Schule inkludiert werden, dass die Lernprozesse in den Lerngruppen dem Selbstanspruch der Schule genügen, dass neue Herausforderungen von außen im System ankommen, dass alle Beteiligen zuversichtlich ihrer Tätigkeit nachgehen und das System als Ganzes sich als erfolgreich erlebt.
Wie eine Schule so ein Subsystem aufbaut, sollte sie selbst klären. Das gelingt nur, glauben wir, wenn Schulträger und Schulaufsicht achtsam und unterstützend agieren, aber nicht bestimmend. Die Schulaufsicht überwacht, dass die Schule so ein Subsystem schafft, aber nicht, wie sie es macht; sie unterstützt durch Beratung und durch Kompetenzaufbau mittels Fortbildungsangeboten. Der Schulträger gibt den Schulen die notwendigen Ressourcen, aber nur dann, denn sie sie anfordert und zeigt, wofür sie diese nutzen will. Wie der Plan aussieht, entscheidet die Schule; der Träger gibt nur dann Geld, wenn er sich überzeugen lässt, dass das Geld zielführend eingesetzt wird.
Und die übergeordneten Systemebenen? Was tun diese? Sie organisieren sich ebenfalls um. So, dass sie kompatible Systemstrukturen ausbilden. Analog dazu, wie sich die Schulen im Inneren ausbilden. Der in unserer ersten Anregung erwähnte Rat an die Gestaltenden von Dienstbesprechungen zeigt: Je höher man kommt, desto komplizierter wird die gestaltende Umsetzung der gleichwohl einfachen und einleuchtenden Grundidee. Daher ersparen wir uns hier weitere vier Absätze dieses Blogbeitrag, und verbleiben mit dem Hinweis darauf, dass wir den einen oder anderen Rat schon dabei anzubieten haben und mit den besten Wünschen für ein gutes Gelingen der Politik-Debatten!