21 Apr

Gibt es aus pädagogischer Sicht einen Ausweg aus der Gewaltspirale?

Es fällt schwer, in diesen Tagen einen Beitrag für Pädagogik der Gegenwart zu schreiben, wenn unsere sorgenvollen Gedanken unaufhörlich in den Osten der Ukraine wandern.

Kann denn die Pädagogik irgendetwas beitragen, das nach einer möglichen Lösung auch nur riecht? Wie ist das denn auf dem Schulhof, wenn der Konflikt – längst eskaliert – von der Pausen-Aufsicht entdeckt wird?

Pädagogik ist die Wissenschaft davon, wie sich menschliche Beziehungen entwicklungsfördernd gestalten lassen. Sie geht davon aus, dass im Grunde genommen jeder, der menschliche Beziehung gestaltet, es aus einer inneren Sinnsicht tut. Jeder macht das, von dem er glaubt, dass es für alle Beteiligten das Beste ist, wenn er so agiert, wie er agiert. Nur die anderen sehen – leider – oft nicht ein, dass das, was dabei herauskommt, wirklich die beste aller Lösungen ist…

Aus dem Handeln lässt sich die Sinnsicht der agierenden Person rekonstruieren. Das ist Pädagogenhandwerk. Die Disziplin des Fachs verlangt, das zu tun, wenn man pädagogisch arbeiten will, bevor man Vorschläge für bessere Lösungen macht. Eine professionelle pädagogische Haltung schließt nicht nur den Schutz des Schwächeren, sondern auch das Nachdenken über die Genese des Verhaltens des Aggressors ein. Ganz zu schweigen von der großen Aufgabe, die „kleinen Bratzen“, die am Rande stehen und wohlmöglich „Haut-se…“ (vom Rest des Spruches schweigen wir mal) schreien, auf ihrem Weg in die Selbsterkenntnis leiten zu dürfen.

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12 Apr

Kinder können das! – Wenn man sie lässt.

Nochmal zum Thema: Willkommensklassen oder Inklusion?

Schon vor einem Monat haben wir – in dem Blogbeitrag „Die nächste Welle kommt. Was tun?“ am 11.3. – die klare Empfehlung gegeben: Wenn eben möglich, Inklusion! Setzt die Flüchtlingskinder aus der Ukraine mit an die Gruppentische der bestehenden Lerngruppen eurer Schule. Vertraut auf die Inklusionskraft der direkten Interaktion der Kinder!

Eine Woche später kam ein Bericht aus einer Grundschule von einem Jungen aus der Ukraine in einer Grundschule in NRW. Die Lehrkräfte haben das Kind – nennen wir es einfach mal Wolodymyr – in eine laufende jahrgangsübergreifende Klasse 1/2 (JüL-Klasse) gesetzt. Seit vier Wochen lernt es dort. Die Lehrkräfte, die die Klasse begleiten, sind begeistert.

Jetzt ist unser Schulentwicklungsberater einigermaßen irritiert. Anlass ist die Debatte, die die taz an diesem Wochenende losgetreten hat. Die bekanntermaßen eher links ausgerichtete Tageszeitung lässt Pädagog*innen (9.4.22, S. 10/11; „Ihr Blick geht nach vorne“) zu Wort kommen, die erklären, wieso es ohne Willkommensklassen nicht geht. Ein Schulleiter eines Gymnasiums konstatiert, dass direkte Inklusion vielleicht in der Grundschule gelingen mag, im Fachunterricht der weiterführenden Schule das dagegen nicht gelingen könne: „Es ist doch eine Illusion, dass Jugendliche ohne Sprachkenntnisse [der Schulleiter meint ‚deutsche Sprachkenntnisse‘] bei Physik oder Geschichte mitkommen“. Die fremdsprachlichen Jugendlichen würden, so seine Befürchtung, wegen fehlender Sprachkenntnis bloßgestellt.

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18 Mrz

Neue Kinder treffen auf bestehende Lerngruppen – eine Herausforderung zur pädagogischen Gestaltung!

Letzte Woche haben wir dafür geworben, Flüchtlingskinder aus dem Ukraine-Krieg nicht in Auffangklassen zu verschieben, sondern sofort in die bestehenden Lerngruppen zu integrieren. Leicht populistisch formuliert – danke für die Kritik! –  haben wir eine Welle angekündigt. In Wirklichkeit kommen natürlich Kinder – in manchen Schulen des Landes jeden Tag eins. Sie brauchen Kontakt und Anschluss zur Bewältigung ihrer Fluchterlebnisse.

Das löst starke Emotionen auch bei den Menschen aus, die hier leben, bei Lehrpersonen, Eltern, den übrigen Kindern. Wie agiert Schule, in der die Begegnungen stattfinden, mit Achtsamkeit? Wichtige Botschaft an die Lehrkräfte: Es gilt das Überwältigungsverbot! (s.u. und Link) Der Beutelsbacher Konsens fordert von der Schule, sich nicht an den Problemsichten der Erwachsenen, sondern an den Lernbedarfen der Kinder zu orientieren. Was brauchen diese, um miteinander sprechen, lernen, leben zu können? Die Handlungsfähigkeit der Lernenden zu stärken ist der Auftrag der Schule! Besonders in einer so schrecklichen Krisensituation, in der Menschen vor den Bedrohungen durch Krieg flüchten müssen.

Es bedarf also pädagogischer Reflexion sowie klares Agieren von Schulen bei der Ausgestaltung des Raums, in der sich die Menschen begegnen. Wir zeigen hier ein Beispiel einer Schule, die diesen Anspruch ernst nimmt und Konflikte vorausschauend kanalisiert. Sie hat ein Schreiben an die Eltern verfasst. Verschickt wird es jeweils in den Lerngruppen, in die Kinder aufgenommen wurden:

Liebe Eltern,

aktuell nimmt unsere Schule bereits Kinder aus der Ukraine auf, heute auch in Ihrer Lerngruppe.

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