11 Nov

Gute Kooperation von Regel- und Förderpädagog*innen an Schulen des gemeinsamen Lernens – wie kann sie gelingen?

Unsre Teammitglieder machen immer mal wieder Fortbildungen in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern des Instituts. Diese bieten oft den Einstieg in Beratung pädagogischer Einrichtungen wie Schulen bei der Selbst-Entwicklung – getreu unserm Leitbild, dass autonome Schulen sich selbst entwickeln, dabei externe Unterstützung im Prozess jedoch sehr hilfreich ist. Zu einer Fortbildung zum Thema dieses Blogs, veranstaltet durch unseren Kooperationspartner Forum Eltern/Schule– Austausch und Begegnung in Dortmund traf sich kürzlich eine heterogene Gruppe von Lehrkräften recht unterschiedlicher Schulen. Die Lehrkräfte einte das Ziel, ihre Schule im Inneren weiterzuentwickeln: Eine professionelle Kooperation zwischen den Perspektiven der Kolleg*innen zu stiften, bei der sich deren unterschiedliche pädagogische Blickwinkel (vor allem die Perspektive der Förderlehrkräfte ist ein knappes Gut an inklusiv aufgestellten Schulen) mit dem Ziel der bestmöglichen individuellen Förderung aller Schüler*innen einer Lerngruppe zu verknüpfen.

Die Abbildung visualisiert den ersten Pädagogen (Lerngruppe mit den Peer-Groups), den zweiten Pädagogen (den Kranz der Mitarbeitenden in der pädagogischen Einrichtung Schule) und den Lernraum als dritten Pädagogen, indem er die Personen bzw. dort existenzen Subsysteme zeigt. In der Mitte steht das einzelnen lernende Kind (Smily).

Total angefixt war der Teilnehmerkreis durch die Grundidee der systemischen Pädagogik: Schule ist ein System, das sich aus vielfältigen Subsystemen zusammensetzt. In jedem Teilsystem, dem eine Lehrperson angehört, hat sie eine spezifische Funktion, die sich aus der Zusammensetzung und dem Auftrag der Gruppe ergibt. Jede Lehrkraft der Schule ist gleichzeitig in etlichen Systemen als Person vertreten. Sie benötigt dort eine klare Aufgabenbeschreibung und einen guten Zugang zu den Arbeitsprozessen innerhalb der Gruppe. Die jeweilige Funktion übt die Lehrkraft mit ihrer individuellen Identität aus: Eine andere Person würde die gleiche Funktion vielleicht in ganz anderer Weise ausüben. Wesentlich ist dabei lediglich, dass das Subsystem als solches die ihm übertragenen Aufgaben erfolgreich bewältigt. In gut lesbarer Weise beschreibt das Palmowski (Literaturhinweis am Ende des Beitrags).

Der Charme dieser Sichtweise auf soziale Systeme ist die Entkoppelung von personaler Identität und systemischer Funktion. Einer Bewertung sind nicht mehr die Personen ausgesetzt. Ein Systemmitglied kann seine Rolle – seine Selbstdefinition in der Gruppe – den eigenen Wünschen, Idealen und Vorerfahrungen gemäß frei gestalten. Relevant ist nur, dass es die Regeln der Kommunikation im System einhält, die Basis für das kooperative Erreichen der Ziele ist. Die analytische Trennung zwischen der personalen Identität, die sich im Rollenagieren der Person zeigt, und der regelgerechten Wahrnehmung der Funktion öffnet den Raum für Vielfalt des Einzelnen in der sozialen Zusammenarbeit.

Dieser Grundsatz gilt gleichermaßen für das Lernen einer inklusiv arbeitenden Klasse einer Schule wie für das inklusive Kooperieren der Lehrpersonen, die das Lernen in inklusiv arbeitenden Klassen organisieren. Wenn Lehrkräfte sich mit der systemischen Gestaltung ihrer Zusammenarbeit befassen und regeln, wie sie arbeiten wollen, so lernen sie gleichzeitig sehr viel über die systemische Kooperation in den von ihnen betreuten Lerngruppen. Das ist richtig spannend.

Bei einer solchen Betrachtung verändert sich die Aufgabenbeschreibung von Förderlehrkräften und Regellehrkräften. Aufgabe der Regel-Lehrkraft ist die Versorgung der Lerngruppe mit einem auf die gesamte Heterogenität der Lerngruppe abgestimmten Lernangebot. Dazu gehören: die Artikulation der Ziele des Lernens, die Gestaltung von Input-Angeboten, die Erarbeitung eines werkstattmäßigen Angebots an Lernaufgaben, das Anbieten von Selbstchecks zum Lernerfolg und das Sorgen für Reflexion der Lernenden im Hinblick auf die Zielerreichung und die fachliche Beratung beim Lernen. Aufgabe der Förder-Lehrkraft ist dabei der Blick auf das Gelingen der Passung von individueller Lernausgangslage aller Lernenden und den angebotenen Lernmöglichkeiten und auf die Unterstützung durch zusätzliche individuelle Lernangebote. Schwerpunkt ihrer Arbeit aber ist vor allem die Stärkung der sozialen Kooperation innerhalb der Klassengemeinschaft beim kooperativen Lernen, insbesondere durch Unterstützung von Peer-Group-Learning.

Bei einem solchen Kooperationskonzept ist jede Lehrperson der Lerngruppe für alle Schüler*innen der Lerngruppe zuständig. Eine Unterscheidung zwischen Regel- und Förderkindern ist nach dieser Vorstellung im alltäglichen Betrieb nicht bedeutsam. Die Fach- bzw. Regellehrkraft sorgt auch für die Lernmaterialien für Kinder, die auf dem Förderniveau Lernen arbeiten, und arbeitet sie in das normale Lernangebot der Schule für die inklusiv beschulte Lerngruppe ein. Sofern special needs einzelner Kinder besondere Materialien benötigen, holt sich die Regellehrkraft Unterstützung von einer Förderlehrkraft – aber nicht (unbedingt) von der, die in derselben Lerngruppe Präsenzstunden hat, sondern von der Lehrkraft der Schule oder vom Förderzentrum, dem die Schule zugeordnet ist, die für diesen Fördertatbestand fachlich zuständig ist.

Für die Förderlehrkaft in der Gruppe gilt, dass sie sich auch am Unterrichtsgeschehen beteiligt; in der Regel, indem sie mit Teilgruppen von Kindern arbeitet. Das ist aber im Regelfall nicht die Gruppe der Förderkinder der Klasse, sondern bestenfalls ein Förderkind, zusammen mit dessen Peers oder einer Teilgruppe von drei anderen Schüler*innen. Ziel ist hier stets die Verlagerung von Lernprozessen aus der Lehrer-Schüler-Einzelinteraktion in eine kooperative und durch die Lehrkraft gestützte Gruppen-Interaktion.   

Im Rahmen der Fortbildung (FoBi) konnten wir diese Zusammenhänge nur holzschnitthaft herausarbeiten. Eine solche Kooperationsstruktur muss an der Schule wachsen und leben, an der die FoBi-Teilnehmenden unterrichten. Die Entwicklungsprozesse gehören ins Kollegium. Im externen Fortbildungskontext befindet man sich ja in einem Was-wäre-wenn-Lernraum. Also stellt sich den Teilnehmenden die Frage: „Wie gewinnen wir unsere Kolleg*innen an unserer Schule für diese Idee? Kann man da was nachlesen?“

Nachlesen ist immer schwierig, an einer Schule zugucken, wo es so läuft, und dort die Gelingensbedingungen erkunden ist besser. Trotzdem versprach unsere Fortbildner-Person: „Wenn Sie mir Ihre Mailadresse schicken, sorge ich dafür, dass Sie ein bisschen was zum Lesen finden!“ Das hat sie getan – und diesen Blogbeitrag geschrieben. Können Sie auch gerne verwenden! Und hier finden sich noch ein paar weitere einschlägige handliche Texte:

  1. Die gute Idee zu den Kollegen tragen. Mit Hilfe von außen Innovationen im System Schule initiieren. In: Lernchancen (LC) 77/2010, S. 14 – 16.
  2. Kollegiale Kommunikation. Zu Teamregeln durch Metaregeln. In: LC 91/2013, S. 22 – 25.
  3. Teamstrukturen in Schulen. Basis für Kooperation schaffen. In: LC 96/2013, S. 16 – 19.

Wenn beim Friedrich-Verlag (hat Lernchancen (LC) herausgegeben) nicht mehr erhältlich, bitte beim IfpB melden.

Palmowski, Winfried: Nichts ist ohne Kontext – systemische Pädagogik bei „Verhaltensauffälligkeiten“; Dortmund (Verlag modernes Lernen) 2007

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