10 Feb

Von Kindern lernen: Luchse und Kängurus

Oder: Partizipativ-demokratisch handeln und dabei digitale Kompetenz aufbauen!

Manchen Schulen im Land erörtern noch, ob Kinder erst lernen müssen, mit der Hand zu schreiben, bevor man sie ans Tablet lässt. Der heutige Gast-Blog-Beitrag von den Kängurus, einer jahrgangsübergreifenden Klasse 1-2, zeigt, wie sehr diese Debatte aus der Zeit gefallen ist. Und sie zeigt, wie befriedigend es für Lehrkräfte ist, sich darauf einzulassen, Erziehung zur demokratischen Problemlösung und zum Erwerb von Schreibkompetenzen als gesamtheitliches Lernen von Kindern zu begleiten.

Vielen Dank, liebe Kollegin, für diesen Beitrag:

Eines Mittags ploppte dieser Text einer Lerngruppe 3-4 (genannt „die Luchse“) im E-Mail-Fach der „Kängurus“ (Jahrgang 1-2) auf.

In Coronazeiten machen wir Lehrpersonen und fast zeitgleich die Kinder uns untereinander fit, digitale Endgeräte zu nutzen, per Videokonferenzen, Mails, Chats… zu kommunizieren und digitale Lernumgebungen selbständig ansteuern zu können. Alles erst einmal für die nächste Quarantäne, so war der Plan. Tatsächlich entsteht ein Update des gemeinsamen Lernens in unserer Schule.

Die Kinder erobern sich die Medien, wenn man sie lässt, eigenständig, spielerisch, mit Versuch und Irrtum. Sie entdecken das darin steckende Potenzial schnell für sich.

So aktuell mal wieder geschehen! Die gut bestellten Hochbeete unserer Schule wecken das Interesse anderer Lerngruppen, nachdem sie lange brach lagen und nun mehrere Jahre erfolgreich von den Kängurus auf Vordermann gebracht und mit leckeren Dingen bestellt wurden. Wie schön! Vielleicht ist das Einstieg dazu, dass mehr Lerngruppen dieses begnadete Lernumfeld für sich entdecken – und das mit Initiative der Kinder! Was Besseres gibt es doch nicht!

Die Luchse fragen also eines Tages per E-Mail die Kängurus, ob sie ein Stück Schulgarten ab- bekommen können. Dass diese Anfrage nicht „live“, sondern medial gestellt werden muss, stört weder die einen noch die anderen, im Gegenteil. Aber der Reihe nach. 

Zunächst entwickelte sich ein reger Austausch im Lerngruppenrat der Kängurus, Jg. 1-2, mit folgenden Themen:

  • Wollen wir „unseren“ Hochbeetegarten teilen?
  • Wie werden „die Luchse“ mit unseren Werkzeugen umgehen? Wollen wir die mit denen überhaupt teilen?
  • Wenn sie Beete übernehmen, nur Schattenbeete oder auch die „guten“ in der Sonne, in denen alles viel besser wächst?
  • Wie viele Beete wollen wir denn abgeben?
  • Können die Luchse immer kommen, wenn sie Lust haben?
  • Stört das uns vielleicht, weil unser Lernraum direkt neben den Beeten liegt?
  • Kümmern die sich auch dauerhaft gut?
  • Lassen die unsere Beete in Ruhe?
  • Wir könnten mit denen ja gut unsere Erfahrungen und Ideen teilen, was man pflanzen kann und was lecker schmeckt?!
  • Vielleicht lernen wir so neue Kinder kennen, die nett sind und mit denen wir vielleicht nicht nur gärtnern?

Schnell fanden sich Kinder der Lerngruppe, die nach Absprache im Lerngruppenrat die Kommunikation per Mail aufnahmen. Immer wieder andere, immer mindestens zwei, denn beraten und austauschen geht so ja viel besser…

Und die Antwort:

Und so geht der E-Mail-Austausch weiter (L= Luchse, K=Kängurus, I=Igel, Original-Rechtschreibung):

L an K: Liebe, Kängurus, Wir wollten fragen, ob ihr eine Einführung geben könnt wo wir viele Fragen stellen können? Lieber Grüße Wünschen die Luchse

K an L: Hallo Luchse, hallo J…, wir haben im gewächs-haus schon aufgeräumt, brauchen aber noch eine woche. Am 9.2.22 können maximal 8 kinder kommen. Ihr könntet um 11 Uhr kommen. Bringt alle Fragen dann mit. E… und die kängurus

L an K: Hallo liebe Kängurus. Wir haben schon Kinder ausgewählt die am Mittwoch rüberkommen können. Wir bringen viele Fragen mit und auch viel Zeit. Wir freuen uns auf die Einführung. Liebe Grüße von J… und den Luchsen

Die Luchse berichteten über ihren Einstieg ins Gärtnern im Haus- und Schulparlament. Das sprach sich in der Schule schnell herum und ein Igelkind nahm dann auch Kontakt auf:

I an L: Betreff: Schulgarten, Hallo, ich bin H… aus der Igel-Lerngruppe. Ich interessiere mich für Pflanzen und Bäume und würde gerne hier in der Schule gärtnern. Ich habe schon andere Kinder aus meiner Lerngruppe gefragt, ob sie auch gärtnern wollen; das sind N.., M… und L….Ich will euch fragen, ob wir ein Hochbeet bekommen können. Viele Grüße H…

K an I und L: Betreff: Hochbeetefrage von H.. Wir haben die EMail gelesen. Wir müssen erst mit den luchsen sprechen. Wir antworten euch nach nächster woche Mittwoch. Liebe grüse von D… & F von den kängurus

I an K: Liebe D. & F. von den kängurusDanke fier eure nach richt. Ich würde mich frouien wenes klappt . Liebe grüse von H…& D. von den igeln

Ist das nicht genial?

Kinder setzen sich für ihre Vorstellungen, Wünsche und Ideen ein.

Kinder nutzen die Ressource ihrer Lerngruppe, das Schwarmwissen.

Kinder erfahren, dass sie etwas bewegen können und dass sie von der Lerngruppe getragen werden. Das macht sie stark und mutig.

Kinder erfahren, dass sie als Jüngere ihr Wissen an die Älteren weitergeben und die älteren Kinder sie sogar darum bitten!

Kinder lernen direkt nicht nur an sich zu denken, sondern an alle im System befindlichen Partner und Partnerinnen. (Die Kolleg*innen lernen es dann gleich auch!)

Das ist Partizipation und Demokratie lernen und erleben!

Das ist Medienerziehung von der Sache aus!

Die Erwachsenen im System Schule können so viel von der Gradlinigkeit der Kinder lernen!

Ich bin ein Glückspilz, dass ich das miterleben kann!

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