06 Mai

Wie kann es gelingen?

Ein nachdenklicher Schulentwicklungsberater schreibt einen Brief an eine Schule…und macht zum Schluss einen Vorschlag an alle…

Nachgedacht: Wie kann es gelingen? Und wie kann es bei allen gelingen? Was können Schulen tun, damit Distanzlernen gelingt?

Ein Brief aus den Mühen der Ebene in Corona-Zeiten in NRW und Niedersachsen:

Diese (gekürzte) Mail schreibt ein*e Schulentwicklungsberater*in aus NRW an die didaktische Leiterin einer Gesamtschule in Niedersachsen, die er seit mehreren Jahren bei der heterogenitätsgerechten Unterrichtsentwicklung berät, als Antwort auf den Bericht der didaktischen Leiterin, wie es an der Schule in der Krise läuft:

Liebe….

Der Bereich Schulentwicklungsberatung fordert mich in einem Maße heraus, wie ich es noch nicht erlebt habe.

Daher finde ich es wohltuend, bei euch von einer Schule zu hören, wo es wirklich gut läuft! Ansonsten komme ich über das Beratungsangebot des IfpB und unseren nun gestarteten Blog www.paedagogik-der-gegenwart.de in Kontakt mit Schulen in der ganzen Republik, die an den verschiedensten Stellen mit den verschiedensten Krisenproblemen kämpfen.

Daher frage ich mich: Was ist bei Euch das Erfolgsgeheimnis? Was Ihr, glaube ich, gut gemacht habt (und macht): Ihr arbeitet als Schulleitung in ständigem partizipativen Kontakt mit den Teilgruppen der Schule. Der von Dir erwähnte fast tägliche Kontakt mit den Fachbereichsleiter*innen ist dafür ein gutes Beispiel. Ich weiß ja, wie viel Kraft und Strukturierungsarbeit (und auch Stress) Euch im SL-Team es gekostet hat, diese Strukturen aufzubauen. Anders als ganz viele andere Gesamtschulen betreibt Ihr diesen Prozess von der Leitungsseite her konsequent und geduldig – aber immer mit dem Anspruch, zu systemischen Lösungen zu kommen. Dabei habt ihr den Anspruch, Euch das Kollegium im heterogenitätsgerechten Sinne zu erziehen, nicht aufgegeben. Daher habt ihr nun in der Krise handlungsfähige Strukturen, in denen die Menschen in aufeinander abgestimmter Weise arbeiten. Schön, das zu sehen. Ich freue mich darüber, dass es das gibt!

Die Gretchenfrage ist im Moment wohl die, wie die Schulen die Kombi zwischen Distanzlernen und Präsenzlernen gestalten. In NRW lernt in dieser Hinsicht im Moment das ganze Land. Wir haben auch eine schlaue und vernünftig leitende Corona-Gruppe im MfS (Team Matthias Richter). Es beglückt die Schulleitungen fast täglich mit neuen Vorgaben. Die sind nicht immer konsistent – wie sollen sie auch konsistent sein, wenn das ganze Schulsystem in einem radikalen Adaptionsprozess an eine sich erst Stück für Stück offenbarende Krise steckt? An dem Team kann man erleben, wie sich Lernprozesse darstellen. Schon in der ersten Corona-Mail sind die Schulen des Landes aufgefordert worden, Distanzlernen zu gestalten. Fast alle Schulen haben daraus die schulorganisatorische Frage gemacht: Wie überschütten wir unsere Kinder, die mit ihren Eltern Zu Hause sitzen, mit Aufgaben? Als ob Schule hieße: Kinder bekommen Aufgaben, arbeiten diese ab, schicken diese zurück an ihre Lehrkräfte und bekommen darauf eine (leistungsbezogene) Rückmeldung. In der Distanz-Situation können die Kids nun davonlaufen und sich auf diese Weise aus diesem Lernmuster befreien (wenn sie nicht Eltern haben, die die Lehrerfunktion übernehmen). Was tun? Das bringt die Lehrkräfte an den Rand. Und – leider – auch viele Schulleitungen!

Ganz neu und unerwartet kommt daher die erst letzten Donnerstag bzw. erst vorgestern erfolgte Weisung, alle Kinder eines Jahrgangs gleichzeitig in die Schule kommen zu lassen und gleichzeitig in der Distanz lernen zu lassen. Das wirft viele Planungen von Schulen um und sorgt für Unruhe. Aber das halte ich für total sinnvoll: Wenn das Lernen im Schulhaus und das Lernen zu Hause verzahnt werden soll und gleichzeitig die Lerngruppen erhalten bleiben sollen, so müssen die Präsenzzeiten und die Distanz-Lern-Zeiten für diese Lerngruppen gleichzeitig stattfinden. Diesen Punkt, den ich seit dem ersten Tag der Rückkehr-Diskussion trommele, wird nun auch von Ministerium so gesehen. Das zeigt gleichzeitig: Endlich nimmt das System Schule wahr, dass Zu Hause nicht nur betreut, sondern gelernt wird. Und nun offenbart sich, was eine Schule (als System) unter Lernen versteht. Oder anders gesagt: ob „Schule machen“ eine Aktion der Lehrkräfte ist, die sie bewältigen müssen oder eine Veranstaltung, die sich danach ausrichtet, was Kinder zum erfolgs-zuversichtlichen Lernen benötigen.  

Dass Niedersachsen (so wie alle anderen Länder im Bund) nicht den Anspruch aufgegeben hat, das Abitur regelgerecht durchzuziehen, halte ich für schlüssig. Es wäre für diese Kohorte an Abiturienten einfach unfair, wenn sie später, wenn die Krise längst überwunden wäre, mit einem Abi daständen, dem man nachsagen kann, es wäre „hinterhergeworfen“ worden. Wir kennen das ja unter dem Stichwort „Gesamtschulabitur“. Dann würde es „Corona-Schmalspur-Abitur“ heißen. Das Abitur als Ganzes halte ich für eine Plage, weil es gleichmacherisch aufgestellt ist. Individuelle Prüfungsformate wären erheblich entwicklungsfördernder für die Lernenden und aussagekräftiger für die Allokation. Aber das ist eine andere Baustelle. 

Anders ist das mit den ZAP 10. Ich halte ich nicht für o. k., die Kids damit zu belasten. Bei uns in NRW ist die ZAP auf eine normale Klassenarbeit in den Hauptfächern am Ende der Klasse 10 zurückgeschrumpft worden ist.  Dass Niedersachsen das nicht macht, finde ich brutal. 

Auf jeden Fall wüsste ich gerne noch mehr über die Ursachen für Euer gutes Gelingen. Wir sollten überlegen, wie wir das gemeinsam sichern und der Welt zugänglich machen können.

Unterstützung durch mich braucht Ihr im Moment definitiv nicht, in dem Sinne, wie ich es bei anderen Schule derzeit mache (gemäß des Corona-Beratungs-Angebot des IfpB. Dort gestalte ich einstündige Online-Konferenzen (Beratung zu den Problemen des Distanzlernens) und kann sehr rasch dazu beitragen, dass in der Krisensituation gemeinsames formatives Handeln im Kollegium zu Stande kommt. Wenn ich da erkläre, dass ein Fach-Wochenplan oben ein Smartziel haben sollte, dann ein Feld zu Info-Möglichkeiten, dann ein paar Aufgaben-Kacheln (differenziert, zur Selbstauswahl), eine Angabe zur geplanten Bearbeitungszeit in der Woche, unten nochmal das Smartziel und eine Zeile, in der die Kids einen Lernkommentar schreiben, die tatsächliche Arbeitszeit angeben und davon ein Foto an ihre Fachlehrkraft in D, E, M,  GeWi und NaWi schicken sollen, dann hören mir (diesmal) die Leute tatsächlich zu!

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