Nicht schon wieder: Die Lerngruppen zerreißen!
Heute machen wir Ihnen einen Vorschlag, wie Sie Abstand und Hygieneregeln einhalten können, ohne die Lerngruppen zu zerreißen.
Die Kanzlerin will es, die Bundesländer eher nicht: Aus Gründen des Infektionsschutz in der Schule die Abstandsregeln (wieder) in Kraft setzen. In der Tat ist es merkwürdig: Beim Lernen in der Schule dürfen Ali, Paul und Clara die Köpfe zusammenstrecken, beim Spielen am Nachmittag im Park dürfen sie es nicht. Wer soll das verstehen?
Die Kultusminister halten am Präsenzunterricht fest, weil sie wissen: Lernen ist eine Gemeinschaftsleistung. Kinder lernen – entgegen landläufiger Meinung – nicht von ihren Lehrpersonen, sondern beim gemeinsamen Tun. Aufgabe der Lehrpersonen ist, dafür zu sorgen, dass das gemeinsame Tun der Kinder zielführend im Sinne der zu entwickelnden Kompetenzen ist.
Also gilt: Wer das gemeinsame Tun der Lernenden in ihrer Lerngruppe zerstört, der bringt das Lernen zu Stillstand. Darunter leiden vor allem die Kinder, deren familiäres Umfeld ihnen nur wenige Lernanreize bietet. Das hat der Lockdown im Frühjahr gezeigt.
Wie bringen wir dieses grundlegende pädagogische Wissen mit den Notwendigkeiten des Infektionsschutzes zusammen? Distanz ermöglichen, ohne die Lerngruppen zu zerreißen?
So, wie viele Schulen es vor den Sommerferien gemacht haben, geht es nicht: Die eine Hälfte der Klasse kommt ins Schulhaus, die andere bleibt zu Hause. Und am nächsten Tag kommen die, die gestern zu Hause waren…und umgekehrt…und im Wechsel. Schlechter kann man es nicht machen! Die Teilgruppen erleben sich nicht mehr als Klasse. Die Lehrperson ist total überfordert. Wie soll sie gleichzeitig in der Schule gelingendes Präsenz-Lernen und zu Hause gelingendes Distanz-Lernen möglich machen? Hybrid-Lernen mag in der Sekundarstufe II gehen, wenn digitale Kommunikationswerkzeuge auch im Regelunterricht systematisch genutzt werden. Dort wird ja von den Schüler*innen erwartet, dass sie sich selbstständig aktiv in den Lernprozess einklinken und die technischen Mittel aktiv einsetzen. In den Klassen 1 bis 10 ist das nicht möglich!
Eine gute Problemlösung für alle Schulen gelingt mit ein bisschen pädagogischen Nachdenken! Eine Lerngruppe ist eine Gruppe (Schüler*innen und Lehrkraft), die das Ziel verbindet, gemeinsam erfolgreich Können zu entwickeln. Das Ziel schafft eine Bindung zwischen den beteiligten Personen. Diese besteht, wenn sie sich gebildet hat, weiter, auch wenn die Gruppe nicht zusammen im Klassenraum des Schulgebäudes sitzt. Die Bindung existiert in den Köpfen der Lerngruppen-Mitglieder. Sie überdauert die Raum-Zeit-Struktur der Unterrichtsstunde. Distanz gefährdet diese Bindung in den Köpfen – sie könnte sich verflüchtigen. Also müssen Hygiene-Maßnahmen so gestaltet werden, dass dieser Effekt nicht eintritt. Bindungen stärken, darum geht es!
Also: Ein Teil der Schülerschaft kann nicht ins Schulhaus kommen, weil dieser zur Umsetzung der Distanz-Regeln zu klein ist. Der Stundenplan bleibt erhalten. Es bleiben stets ganze Lerngruppen zu Hause oder kommen ins Schulhaus (praktisch geht das jahrgangsweise). Eine Klasse nutzt zwei benachbarte Räume, eine Teilgruppe den einen und die andere Teilgruppe den anderen Raum – mit Distanz. Der Abschnitt des Flurs zwischen beiden Klassen wird, während der Unterrichtszeit, der Lerngruppe zugeschlagen. Die Lehrperson unterrichtet beide Klassenräume gleichzeitig. Auf dem Flur können sich auf Distanz auch Schüler*innen beider Teilgruppen begegnen. Der lebendige Austausch zwischen den Teilgruppen wird Element des Unterrichtsgeschehens. Jede Gruppe überlegt immer wieder, wie sie die Partner im Nachbarraum mitnehmen kann. Gedanklich bleibt die Einheit der Klasse erhalten. Die Gestaltung des Austauschs mit denen, die man nicht sieht, wird zum konstruktiven Bestandteil des Lernprozesses. Dafür sorgt die Lehrperson. Methodisch ist es überaus pfiffig, so zu arbeiten. Die eingeführten digitalen Kommunikationswerkzeuge werden auch hier genutzt, soweit technisch möglich.
An den Tagen, an denen die Kids zuhause sind, betreut sie ihre Lehrkraft auf Distanz. Das macht sie von einer vernünftigen Work-Station aus, mit Computer, Tastatur, Telefon zu Hand. Der zentrale Austausch im Unterricht läuft über einen qualifizierten Messenger. Im Idealfall hat jedes Mitglied der Lerngruppe ein digitales Endgerät und ein Handy, so dass die Lehrperson ein Kind, das zu verschwinden droht, anschreiben oder anrufen kann, doch mit weniger geht es auch. Top ist, wenn im Hintergrund eine Videokonferenz ohne Bild mitläuft, über die Sprechkontakt jederzeit möglich ist.
Präsenz- wie Home-Unterricht finden gemäß des regulären Stundenplans statt – das geregelte Schul-system läuft also wie gewohnt weiter. Auch in der Home-Lern-Zeit können sich die Lernenden untereinander bedarfsgerecht kontaktieren – so in einer Tischgruppe im Präsenz-Lernen. Im Vorteil sind dabei die Schulen, die sich im Sommer um die digitale Ausrüstung ihrer Schüler*innen gekümmert und die Kontaktlinien mit den digitalen Endgeräten aufgebaut haben. Die Lehrperson begleitet digital das Lernen ihrer Schützlinge, nicht viel anders, als sie es bei Werkstatt-Unterricht in der Schule auch macht.
Schulen, die schon so arbeiten, berichten, dass die Produktivität durch dezentrale Lernformen nicht sinkt. Zwar ist schriftliche digitale Kommunikation langsamer als mündliche. Aber sie hat auch Mehrwert: Man kann die Erklärung der Lehrkraft im Messenger später noch mal nachlesen, wenn einem das hilft. Das digitale Kommunikationsnetz besteht weiter, auch wenn die Stunde zu Ende ist. Vielleicht postet ein Schüler eine Frage, die er hat, und es antwortet ein Mitschüler oder die Lehrperson während der Pause oder am Nachmittag? Das wäre doch super und bietet für selbstständige Lernformen eine ideale Grundlage, auch nach der Krise!
Schulleitungen, versteht ihr das? Braucht ihr Unterstützung, euch dieses Denken anzueignen? Dann holt euch Beratung! Digital, innerhalb von 24 Stunden ist das zu machen. Beraten können nicht nur wir, das IfpB, sondern viele Beratungs-Einrichtungen! Noch ist Zeit, alle Fragen zu klären!