10 Okt

Messenger: Gut fürs kooperative Lernen

Heute bittet der Niedersächsische Kultusminister die Schüler*innen sich warm anzuziehen. Er meint das wörtlich (wegen Durchlüftung), wir sehen das für die nächste Zeit durchaus auch bildlich und möchten Ihnen heute eine metaphorische Pudelmütze anbieten.

Es hat sich gezeigt, dass es generell und besonders im Distanzlernen wichtig ist, die Kommunikation innerhalb der Lerngruppe flüssig zu halten. Das Mittel dazu haben Sie längst und die meisten Schüler*innen beherrschen es: Den Messenger!

Ihre Situation derzeit: Die Schulen in Deutschland kämpfen mit der Herausforderung, digitale Werkzeuge für erfolgreiches Lernen zu erschließen. Sie betreiben Unterrichtsentwickung in Echtzeit: Sich im laufenden Betrieb, unter dem rollenden Rad, digitale Technik und digitales Arbeiten so zu erschließen, dass das Lernen in den Klassen und Lerngruppen besser gelingt. Pädagogisches Neuland wird betreten. Ein ehrenwertes und schwieriges Unterfangen!

Die Entwicklungsarbeit ist systemische Selbsttransformation. Es geht nicht nur um den Erwerb neuer lernbezogener Kulturtechniken der einzelnen Lehrkraft, sondern um die Modernisierung der Arbeitsweise der Schule als Ganzes. So was lässt sich nicht verordnen. Lehrkräfte müssen motiviert und unterstützt werden, sich die neuen Möglichkeiten in konstruktiver Weise zu erschließen und sie praxistauglich zu machen.

Die Unterstützung dazu: Das Dortmunder Bildungswerk FeSch – Forum Eltern/Schule bietet Schulen Unterstützung in Form von Workshops für Lehrkräfte an, die nicht nur selbst lernen, sondern auch ihre Schule weiterbringen wollen.

Solche Workshops finden derzeit digital statt – als Erfahrungsfeld für Lehrpersonen, die die Chancen digitaler Lernwerkzeuge am eigenen Leib erfahren möchten. Mehrere 90-Minuten- Einheiten, dazwischen Zeit, die jeweils erarbeiteten Möglichkeiten in der Praxis zu testen – um sie beim nächsten digitalen Treffen zu reflektieren, als praxisbezogene Lernsequenz statt punktueller Fortbildungstage.

Die Workshops arbeiten nach dem Beratungsformat: Die Moderation übernimmt jemand aus der Schule, dessen Auftrag die innere Schulentwicklung ist (z.B. die didaktische Leiterin), den digitalen Support leistet der oder die Verantwortliche für das Digitalisierungskonzept der Schule. Die Beratungsperson kommt von außen, als Externe. Sie bringt Ideen mit und gibt Hilfestellung bei der Umsetzung – vom methodischen Tipp für den Umgang mit Inklusionskindern bis hin zur Frage, wie aus guten Erfahrungen in der Erprobungsgruppe eine verbindliche Praxis der gesamten Schule wird.

Unser Institut (IfpB, Institut für pädagogische Beratung) kooperiert mit FeSch. Wir stellen die Berater*innen und vermitteln Beratungskompetenz. Wir gewinnen dabei einen spannenden Einblick in die Chancen, die wohlverstandene Digitalisierung bietet.

Ein Praxisbeispiel: Dr. Michael Wildt begleitet derzeit eine solche Selbstentwicklungsgruppe. Eine Gesamtschule arbeitet daran, die zunehmend greifbarer werdenden digitalen Werkzeuge der Kommunikation vielfaltsgerecht und inklusiv zu erschließen. Vielfaltsgerecht meint: Die Individualität des Lernens im Kontext des Lerngruppen-Verbandes soll gestärkt werden! Inklusiv bedeutet: Jeder kann, wenn er möchte, sich in die Kommunikation seiner Lerngruppe einbringen.

Am Donnerstag war der dritte Workshop. Die Hausaufgabe aus dem zweiten Workshop war: „Versuchen Sie, jedem Kind, das seine Chance nutzt (und wenn sie noch so rudimentär ist), digital am Lernen teilzuhaben, ein Erfolgserlebnis zu verschaffen!“ Warum dieser Auftrag? Ganz einfach: Wenn wir doch wollen, dass die Kids digitale Werkzeuge nutzen, so sollen sie dabei positiv bestärkt werden!

Tatsächlich berichten die Kolleg*innen, dass sie erstaunliche Erfolge erzielt haben. In den Klassen, die sie zur Erprobung ausgewählt haben, zeigen sich einerseits erhebliche Könnens-Defizite in der Nutzung von Digital-Equipment. Viele Kinder kennen nicht einmal die Antwort-Funktion des Mailprogramms. Andererseits zeigt sich aber: Da, wo die Schüler*innen eine Antwort ihrer Lehrperson bekommen, entfalten sie – auch aus der Distanzlernsituation – unerwartetes Engagement. Die  Workshop-ler staunen: Ein Wunder!

Allerdings ist das Wunder teuer erkauft. Die Kolleg*innen berichten, wie viel Zeit es kostet, alle Mails zu beantworten. Und wie viel Kraft es kostet, die notwendige erzieherische Arbeit zu leisten. Jedes Kind kann ein Foto seiner gelösten Rechenaufgabe, seines selbst geschriebenen Texts oder der bearbeiteten Seite aus dem Workbook posten. Aber dass man das Foto von oben aufnehmen und seinen Namen mit auf das Blatt schreiben sollte, müssen viele erst mal begreifen. Angesichts des Aufwands droht die Kollegen-Initiative wieder zu erlahmen.

Ein Teilnehmer bringt die Erklärung für das Wunder auf den Punkt: Die Digitaltechnik erweitert und verstärkt das Potential der Lerngruppe! Mails schicken ist daher der falsche Weg – er führt zurück in die lehrerzentrierte Vergangenheit. Wir brauchen ein digitales Kommunikationsmittel, das die raum-zeitliche Struktur der Lerngruppe und deren vielfältigen kooperativen Chancen stärkt.

Das Mittel gibt es: Den Messenger! Wenn die Kids lernen, über den Messenger mit ihren Lernpartner*innen zu kommunizieren, so überwindet dieses Potential die Enge der Unterrichtsstunde im Klassenraum. Wer gerne zeigen will, was er gemacht hat, postet dort seine Aufgabenlösung. Wer eine Frage hat, stellt sie dort – das kann man zu jeder Tages- und Nachtzeit, immer, wenn man das will. jederzeit kann ein anderes Kind aus der Lerngruppe eine Antwort geben. Auch die Lehrperson kann sich jederzeit einschalten (muss es aber nicht). Mit ein bisschen Erfahrung kommt man dann so weit, dass die Lernenden die Fragen in den Messenger stellen, die sie in der nächsten Unterrichtsstunde gerne geklärt haben wollen! Das ist die Schule der Zukunft – und ein zwischenzeitlicher Lockdown bringt das Lernen nicht durcheinander.

Sicher – man muss das einführen und in der Praxis trainieren. Das ist zunächst mühsam, zahlt sich später aber vielfach aus. Richtig erfolgreich wird es, wenn die Erprobungsarbeit der Workshopgruppe zur systemischen Lösung der ganzen Schule wird. Aber vorher wollen die Workshop-Teilnehmenden die vielfältigen Möglichkeiten des Messengers erst mal selbst genauer erkunden. Wir sind schon gespannt auf den vierten Workshop!

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