Weihnachtsgeschenk: Seneca-Studie
Wir betrachten diese Studie und diesen Text von Klaus Zierer (Professor für Schulpädagogik an der Uni Augsburg) in der ZEIT (Nr. 54 vom 23. Dezember 2020) als ein Weihnachtsgeschenk an Schulen und Eltern. Nicht weil die Ergebnisse sensationell sind, sondern weil der Hinweis darauf, dass Schule immer auch Beziehungsarbeit ist, so gut zum Wiederanfang des Präsenzunterrichts passt.
Gerade wollen wir vom IfpB Mein Corona-Jahr schreiben, da flattert mit der Weihnachtausgabe der ZEIT ein echtes Geschenk für Pädagogen ins Haus.
Dort steht es nun noch einmal als Ergebnis einer Befragung und für alle zum Mitbuchstabieren: Schüler gehen gerne in die Schule, weil sie dort ihre Freunde treffen wollen. In den ersten Schuljahren ist die Lehrerin noch ganz wichtig, später wird es immer mehr die Peer-Group. Das ist dann auch oft die Bindung, die bleibt und die mit grundlegend ist für den Lernfortschritt – meistens jedenfalls.
Diese Weisheit ist eine , die jede Lehrerkraft in der Praxis irgendwann begreift: Kinder wollen nicht wegen des tollen Lernstoffs, des netten Lehrers, sondern wegen ihrer Kumpel in die Schule kommen. Die ganz Kleinen gehen schon auch wegen der Lehrerin, die für eine kurze Zeit für sie wie das Amen in der Kirche ist. „Frau Juncker hat aber gesagt…“, höre ich noch meine kleine Grundschul-Tochter hundertfach tönen (und erinnere mich, damals gedacht zu haben, dass wohl erzieherisch einiges schief gelaufen sein muss, wenn so eine Person geradezu heilig und unfehlbar in das Leben meines Kindes treten kann –… geschenkt, das hörte dann sehr gründlich auf). Folgend sinkt die Freude am Lehrer und dem Lernstoff massiv ab (Tiefpunkt 8. bis 10. Klasse, Lehrer-Frage bei Übernahme einer Lerngruppe in diesem Alter: „Haben sie die furchtbare Krankheit mit P* oder sind sie schon durch?“).
Das ist lästig, muss aber sein. Wie anders als durch – zum Teil dramatisch inszenierte – Abgrenzung soll man denn eine eigene Person werden? Und der Fokus liegt nicht beim Lernstoff, sondern eher im Libidinösen. Bei manchen Erwachsenen bleibt das sogar so…nur die Koordination der Lebensinhalte gelingt eben später besser. Als Konstante durch alle diese Wechselfälle des Lebens bleibt der Freundeskreis in der Schule – Solidarität pur als verstärkendes Feedback.
Nun Seneca-Studie (richtig, der mit …sondern für die Schule lernen wir): Da fragen ein paar Forscher ein paar Schüler, warum sie in die Schule gehen. Papperlotz! – Nicht wegen des Lehrers, nicht wegen des Lernstoffs, sondern erstmal (93 %) wegen der Freunde! Wer wäre darauf gekommen?! Na, jeder vernünftige Mensch, der mit jungen Geschöpfen in der Schule zu tun hatte oder hat! Dazu gehört ein kleines bisschen Empathie und Beobachtungsgabe, die ja wohl zum Grundset eines jeden erzieherisch Handelnden gehört.
Immerhin: 72 % der Befragten geben an, gerne wieder zur Schule zu gehen, weil sie dort etwas lernen können. Die Kombination ist eine richtig gute Nachricht an die Schulen, ein Weihnachtsgeschenk, das mit Bedacht ausgepackt werden möchte!
Und die Wichtigkeit des Lehrers ist für jeden, der einmal über pädagogische Situationen nachgedacht hat, vielleicht Forschungsgegenstand, aber auch Alltagwissen. Wie anders als durch den Lehrer-TÜV: Ist der authentisch? Lebt die, was sie predigt? Mag der Kinder? soll ein Kind denn den neuen Lehrer abnehmen? Die Intuition von Kindern sollte man dabei nicht unterschätzen, ihr Urteil ist oft klüger als das der Erwachsenen: „Frau Meyer ist doch so nett?“ „Die tut nur so, eigentlich kann die uns nicht leiden…!“
Neu ist der Gedanke ja nicht, Kinder könnten aus sozialen Gründen die Schule besuchen und dabei das Lernen, die Lehrer und die Institution mehr oder weniger freudig in Kauf nehmen, aber folgerichtig schon, dass dieser Gedanke am Ende dieses! Jahres prominent in der Weihnachtsausgabe der ZEIT landet. Gerade weil Kinder in diesem Jahr mehrfach gehindert wurden am Sozialevent Präsenzunterricht teilzunehmen, ist diese Komponente der Veranstaltung Unterricht – vielfach schmerzhaft vermisst – in ihrer Wichtigkeit wahrgenommen worden.
Was ist also jetzt nötig, wenn die Schüler irgendwann in den Präsenzunterricht zurückkommen? Zierer untermauert unsere Dauerpredigt bezüglich Homeschooling: Es kann nur gelingen, wenn der zuvor aufgebaute Kontakt zwischen allen Akteuren vertrauensvoll ist, trägt und gepflegt wird. Keine technische, sondern eine pädagogische Frage. Und: Eltern sind keine Ersatzlehrer. Zierer wird, wenn man auf die Seite der Uni Augsburg schaut (https://www.uni-augsburg.de/en/campusleben/neuigkeiten/2020/06/30/2359/ ), noch deutlicher für die Zeit nach dem Homeschooling: Entrümpelung der Lehrpläne! Wiederaufbau sozialer Kontakte!
Danke, Herr Zierer! Wenn jetzt alle Digitalisierung! rufen, ist dieser Hinweis umso wertvoller. Wichtig sind die pädagogischen Leitlinien, Aufbau und Pflege von Beziehungen (ja! Und gerade in den Lerngruppen, das geht auch digital!), Rückmeldesysteme, die Eltern, Lehrer, Schüler miteinander verbinden, die diese Verbindungen stabilisieren– und dann ist es auch noch ganz schön, wenn die Kommunikation zwischen den Partnern technisch funktioniert. Na ja, nicht nur das. Es ist eine notwendige – durchaus aber keine hinreichende – Bedingung!
*Pubertät