Schulpflicht auch für Lehrer?
Der Text Fry Day for Future (s.u., 8.6.) gibt uns Hoffnung. Es wird allerdings ein anderer Artikel der letzten ZEIT (24/2020) mit Pop-ups beworben und erscheint unter der Rubrik die wichtigsten Themen in dieser Woche: Gilt die Schulpflicht auch für Lehrer?
Eigentlich heißt es ja SEX sells, könnte man hier Lehrerbashing boomt vermuten? JEIN. –
Ein Interview: Zwei ZEIT-Redakteure, ein Elternvertreter, die Präsidentin der KMK-Konferenz. Die Fragen der ZEIT-Redakteure sind tendenziös und bedienen alte Vorurteile, offenbar aber in der allerbesten Absicht, Gleichstellung mit anderen Personengruppen zu diskutieren (Verkäuferinnen machen sich nicht so viel Sorgen um ihr eigenes Wohl). Die Antworten der beiden Interviewpartner sind differenzierter als die Tendenz der Fragen. Der Elternvertreter sieht beide Seiten, auch das hohe Engagement, die KM-Vertreterin kontert etwas flügellahm, auf so etwas sei ja niemand vorbereitet gewesen. Die Dinge, die dann als Ursachenbündel für die Unzufriedenheit mit Schule zur Sprache kommen, können Lehrer*innen kaum beeinflussen: Das Schneckentempo der Digitalisierung, Bürokratie, hinderliche Gesetze, der Datenschutz, die Unverbindlichkeit, die fehlende Attestpflicht, unklare Vorgaben aus der Schulpolitik und eben auch als Teil einer Gemengelage einige Lehrer.
Das Besondere daran: Lehrer*innen stehen in einem anderen Dienstverhältnis als andere Berufsgruppen. Es gibt in einigen Bundesländern viele alte und zur Risikogruppe gehörende Lehrer*innen. Wenn die Distanzregeln in der Schule aus pädagogischen Gründen nicht gelten (können), so haben sie ein Recht auf Schutz. Busfahrer*innen fahren auch im abgeriegelten Frontbereich, auf Distanz zu den Fahrgästen. Lehrpersonen sind oft Beamte und können nicht einfach den Job wechseln, wenn sie sich in ihrer Gesundheit gefährdet sehen – das Treueverhältnis des Staats zu seinen Staatsdienern ist genauso die Treueverpflichtung der Staatsdiener zum Staat, dem sie dienen. Die Bindung ist beidseitig – arbeitsrechtlich gesehen.
Hier ist also ein nicht einfaches Problem zu lösen: Die gefährdeten Lehrkräfte in den Lerngruppen der älteren Schüler*innen einsetzen, in denen auch über längere Zeit mit Abstandsregeln und einer Kombination von Präsenz- und Distanzlernen gearbeitet werden kann? Ab Klasse 7 der weiterführenden Schule ist das möglich – warum eigentlich nicht? Es hat ja durchaus auch Vorteile im Lernprozess, gerade bei den reiferen Lernenden die Selbstständigkeit viel mehr als bisher zum Lernprinzip zu machen. Der personale Kontakt zur Lehrkraft wird reduziert, aber in pädagogisch sinnvoller Weise!
Wer hier auf Lehrkräfte mit alten Vorurteilen schimpft, der schüttet das Kind mit dem Bade aus. Zwang hilft weder als pädagogisches Mittel gegenüber Kindern noch als Druckmittel gegenüber Lehrpersonen. Beide Gruppen sind nur erfolgreich, wenn sie ihren jeweiligen Anteil beim Gestalten von erfolgreichem Lernen mit Überzeugung und positivem Engagement leben und leisten können. Das ist die Herausforderung – und das zu begreifen fällt wohl vielen schulfremden Menschen wohl noch schwer, die eine aus heutiger Sicht pädagogisch verfehlte Schule durchlebt und durchlitten haben.